WUNDERSCHÖN, ANMUTEND, DEN LACHENDEN MOND UNTER DEN FÜSSEN

Lebensgroße Madonna mit Jesuskind im Weichen Stil

OBJEKT

Monumentale spätgotische Mondsichelmadonna mit Jesuskind.

ENTSTEHUNG

Ulm, um 1460/1470

MEISTER

Hans Multscher (1400-1467), Werkstatt oder Umkreis
möglicherweise auch Jörg Stein (tätig als Meister von Tiefenbronn in Ulm 1453-1491)
oder auch Jörg Syrlin d.Ä. (1425-1491)

MATERIAL

Lindenholz oder Weide, polychrom gefasst, vergoldet und tief gehöhlt

BESCHREIBUNG

Meisterliche spätgotische Madonna in Lebensgröße, noch im Weichen Stil gefertigt. Im linken Arm den Jesusknaben haltend, dieser mit ungewöhnlich kecker und leicht humorresker Gestalt und mit segnendem Gestus, spielerisch die Weltkugel auf seinem Knie balancierend. Die wunderschön blickende Maria mit hochgegürtetem Kleid, darüber ein weit auslaufender vergoldeter Umhang, dessen blaues Futter an mehreren Stellen zu sehen ist. Auf dem für diese Zeit und Region typischen welligen Haar, eine überaus große und prachtvolle Krone tragend, die als Teil der Gesamtfigur gearbeitet ist. Unter dem Saum der Maria ein ungewöhnlicher, als Gesicht ausgearbeiteter, quergestellter Halbmond mit Gesicht, auf dem ihre Füße thronen. Rückseitig stark und tief gehöhlt.

Das Jesuskind thront auf dem linken Arm seiner Mutter und vollzieht den Segen gänzlich aufrecht, wie man es aus der Romanik kennt. Mit der anderen Hand balanciert es seine überproportional große Weltkugel auf dem linken Knie, was eine ungewöhnlich frivol-kreative Variation des sonst eher traditionellen Motivs darstellt. Die Idee der gekreuzten Beinchen des Jesuskindes teilt der Künstler mit kaum einem anderen Bildhauer.

Die Madonna ist noch dem „Weichen Stil“ zuzuordnen. Sie reagiert auf das ungewöhnlich hohe Gewicht des Kindes und ihr Stand ist, einer S-Kurve gleich, teilweise unter der Fülle des Manteltuchs verborgen. Die hohe, weilt auslaufende goldene Krone ist aus dem Stück der Figur geschnitzt, reich verziert und präsentiert sich hier ungewöhnlich vollständig und wohlerhalten. Über dem reich dekorierten Kronenreif erheben sich im Wechsel kleine Pinienzapfen und filigrane Pflanzenornamente, welche optisch an Edelsteine erinnern. Das schwarzbraun gefasste Haar der Muttergottes steht in schönem Kontrast zu ihrem wiederum rosigen und elfenbeinfarbenen Inkarnat.

Sie schaut aus ihren schönen braunen Augen mit sinnlichen Gesichtsausdruck, entgegen der üblichen Kopfneigung, leicht himmelwärts, während das Christuskind geradeaus wach und frech in die Ferne blickt. Das Gewand unserer Madonna folgt mit dem dunkelroten, hoch gegürteten Kleid der klassischen Tradition. Ihr prachtvolles Manteltuch ist nicht gänzlich blau, sondern rundum golden gefasst. Auf ihrer Front entwickelt sich, dem Gewicht des Stoffes entsprechend, ein bis auf den Boden reichendes Faltenspiel von weit auslaufenden bis hin zu spitzwinkligen Falten, welche final auf die Mondsichel mit dem Gesicht treffen.

ZUSCHREIBUNG

In Form und Stil finden sich große Ähnlichkeiten bei einer dem Ulmer Meister Jörg Stein zugeschriebenen Katharina von Alexandrien (siehe Katalog „Meisterwerke der Spätgotik“, Diözesanmuseum Rottenburg, 2010, S. 54).

Die kecke Mimik und der spielerische Gestus des Jesusknaben mit der Weltkugel erinnern hingegen an mehrere von Hans Multscher gefertigte Madonnen. Beispiele hierfür sind die Ulmer Madonna in Hausen (siehe Katalog „Meisterwerke Massenhaft“, Württembergisches Landesmuseum, 1993, Kap. 12, Abb. 447), die Wennedacher Muttergottes (siehe Manfred Trips, „Hans Multscher – Meister der Spätgotik“, Leutkirch,

1993, Nr. 43), die Madonnen im Landesmuseum Stuttgart (siehe Katalog „Hans Multscher – Bildhauer der Spätgotik in Ulm“, WLM Stuttgart, 1997, Abschn. I, Abb. 2 und 13), die Ummendorfer Muttergottes (siehe Walter Münch, „Wege zu Hans Multscher von Reichenhofen“, Gessler-Verlag, 1991, S. 58) sowie die Landsberger Muttergottes (siehe Manfred Tripps, „Hans Multscher“, Konrad Verlag, 1969, Abb. 62).

Die Verzierungen der Krone finden wir bei einer Madonna aus dem Vinschgau (selbiger Katalog, S172), die einem Nachfolger Multschers zugeschrieben und auf 1460-1470 datiert wird sowie in ähnlicher Art auch bei der vorab beschriebenen Landsberger Muttergottes.

Stilistisch ist eine Arbeit von Jörg Syrlin d.Ä. (1425-1491) nicht auszuschließen, Krone, Gesichtsart und der in Silber gefasste Mond weisen ebenso nicht unerhebliche Ähnlichkeiten mit unserer Madonna auf (siehe Katalog „Michel Erhart & Jörg Syrlin d.Ä.“, Ulmer Museum, 2002, S. 246).

Eine Entstehung in den Werkstätten von Michel Erhart und Hans Schüchlin schließen wir hingegen aus.

ABMESSUNGEN

Höhe: 154 cm
Breite: 49 cm
Tiefe: 32 cm
Gewicht: 20,6 kg

ZUSTAND

Außergewöhnlich guter Zustand mit überschaubaren Altersspuren. Die weitgehend originale Fassung und die Vergoldung partiell berieben und mit ausgebesserten Abplatzungen. Zwei Finger der Madonna geklebt. Einige wenige, kaum sichtbare Spannungsrisse. Am Stand hinten unten vom Vorbesitzer mit einem eingeschraubten reversiblen Kantholz gesichert. Äußerst dekorativ und mit einer fantastischen Patina.

REFERENZEN

Manfred Tripps, „Hans Multscher – Seine Ulmer Schaffenszeit 1427-1467 “, Konrad-Verlag, 1969
Walter Münch, „Wege zu Hans Multscher von Reichenhofen“, Gessler-Verlag, 1991
Katalog „Meisterwerke Massenhaft“, Württembergisches Landesmuseum, 1993

Manfred Trips, „Hans Multscher – Meister der Spätgotik“, Leutkirch, 1993

Katalog „Hans Multscher – Bildhauer der Spätgotik in Ulm“, WLM Stuttgart, 1997
Katalog „Michel Erhart & Jörg Syrlin d.Ä.“, Ulmer Museum, 2002

Katalog der Sammlung Schweizer, „Meisterwerke der Spätgotik“, Diözesanmuseum Rottenburg, 2010

PROVENIENZ

Privatsammlung Silvius Dornier, Friedrichshafen/München.

Silvius J. Dornier (1927-2022), bedeutender Ingenieur, Unternehmer und Verleger. Silvius war der dritte Sohn von Claude Dornier. Er studierte wie sein Vater Luftfahrttechnik und war im Vorstand der Dornier-Werke tätig. Nach der Mehrheitsübernahme von Dornier durch Daimler-Benz, im Jahr 1985, blieb er mit mehr als 21% Mitgesellschafter. Bekannt wurde Dornier als Geschäftsführer der Dornier-Werke in Friedrichshafen und als Verleger und Eigentümer der Verlagsgruppe Dornier, aus der er sich 2006 anlässlich seines nahenden 80. Geburtstags zurückzog.

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Katrin Hofmann
Artikelnummer
S940
Lebensgroße Ulmer Madonna mit Jesuskind

Meisterliche spätgotische Madonna in Lebensgröße, noch im Weichen Stil gefertigt.

Im linken Arm den Jesusknaben haltend, dieser mit ungewöhnlich kecker und leicht humorresker Gestalt und mit segnendem Gestus, spielerisch die Weltkugel auf seinem Knie balancierend.

Die wunderschön blickende Maria mit hochgegürtetem Kleid, darüber ein weit auslaufender vergoldeter Umhang, dessen blaues Futter an mehreren Stellen zu sehen ist. Auf dem für diese Zeit und Region typischen welligen Haar, eine überaus große und prachtvolle Krone tragend, die als Teil der Gesamtfigur gearbeitet ist.

Unter dem Saum der Maria ein ungewöhnlicher, als Gesicht ausgearbeiteter, quergestellter Halbmond mit Gesicht, auf dem ihre Füße thronen. Rückseitig stark und tief gehöhlt.

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Highlight

Mittelalterliche Bibelhandschrift

Biblia Sacra, Paris, um 1250

Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.

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