Kunst- oder Wunderkammern, häufig auch als Raritäten- und Kuriositätenkabinette bezeichnet, sind die Keimzelle der heutigen Museen. Mit der beginnenden Aufklärung und dem Drang nach Entdeckung entstanden ab dem 15. Jahrhundert in Europa individuelle Privatsammlungen, welche verschiedene Kuriositäten aus Kunst, Handwerk, Wissenschaft und Natur mit dem Ziel vereinten, den „Zusammenhang der Dinge“ begreifen und die Geheimnisse der Welt besser erklären zu können. Wohlhabende Adlige und vermögende Vertreter des Bürgertums speicherten in ihren Sammlungen Faszination, Werte und Wissen aber auch Geheimnisse für ihre Nachfahren und die Nachwelt. Die Kunstkammern sind unverfälschte Zeitzeugen von den Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Wissens und humanistischer Kulturen in Gotik, Renaissance und Barock. Sie bestehen aus bunten Mischungen unterschiedlichster Schätze. Klassische Schatzkammerobjekte wie Gold, Silber, Glas, Porzellan und Münzen wurden mit Artefakten, Korallen, Gesteinen, Tierpräparaten, Schnitzereien, Objekten der Alchemie und Memento Mori, technischen Instrumenten oder auch wissenschaftlichen Schriften angereichert und die Sammlung als solche aufgewertet.
Träger und Motivation solcher Sammlungen war stets die Faszination für Raritäten und Kuriositäten, welche einerseits in mittelalterlichen Wurzeln, Sagen und Geschichten aber auch in humanistischen Einflüssen und technisch-wissenschaftlichen Entdeckungen ihren Ursprung fanden.
Neben den repräsentativen Schätzen aus Kunstkammern setzen wir in diesem Katalog den Fokus auch auf das funktionalistische Kunsthandwerk, dessen Objekte in erster Linie einen tätigkeitsbezogenen Zweck zu erfüllen hatten, welche häufig dennoch mit viel Geist, Herz und Sachverstand liebevoll gestaltet, verziert, bemalt, graviert, ziseliert oder geschnitzt wurden, ohne dass es deren klassische Funktion aufwertete. Es war wohl der Reiz und die Wertschätzung für das Besondere sowie die Sehnsucht nach Schönheit und Ästhetik, welche die Kunsthandwerker in Europa zu fantastischen Leistungen motivierte, natürlich getrieben von den Geldbeuteln derer, die das Exklusive nicht nur schätzten, sondern sich dieses auch leisten konnten.
Antiquitäten oder ausgewählte Einzelobjekte sind auch heute noch Ausdruck von Individualität. Sie faszinieren durch ihre Einzigartigkeit und ihre im Laufe der Jahrhunderte erlebten Geschichten, die wir uns heute nur ansatzweise vorstellen können. Eine Schatulle sollte persönliche Kleinodien beherbergen oder verbergen. Mit einem Mörser zerkleinerte man Feststücke und mahlte sie zu Pulvern. Ein Bidenhänder diente in Schlachten als Gassenhauer. Mit einem Pokal prostete man sich zu und trank daraus. Eine Glocke sollte weit hörbar ins Land hin läuten. All diese Gegenstände machten ihre Schönheit und ihre Patina zu begehrten Kunst- und Sammelobjekten. Was uns bleibt ist, dass wir die Schönheit alter Handwerkskunst noch heute genießen können.