„AUF DEM BRETT DES LEBENS SPIELT DER TEUFEL MIT DEN MENSCHEN“

Summa Collationum Analogie des Schachspiels

VERFASSER

Johannes Gallensis († 1285)

TITEL

Summa collationum, sive Communiloquium.

DRUCKER

Anton Sorg, Augsburg, 1475

BESCHREIBUNG

Frühe dritte Ausgabe des fortschrittlich-theologischen Werkes, welches Lehrbuch und  Hilfestellung für Prediger darstellt. Es enthält verschiedene moralische Traktate und Lehrbeispiele für die verschiedenste Lebenslagen.

„Trithemius sagt von ihm, er sei in den heiligen Schriften überaus bewandert gewesen, habe viele Jahre mit Ruhm die Theologie gelehrt und durch Kenntnisse und Beredsamkeit sich so ausgezeichnet, daß ihm der Ehrenname arbor vitae sei beigelegt worden; unter seinen zahlreichen Schriften sei besonders das Communiloquium für Prediger sehr nützlich und nothwendig.“
(Wetzer/Welte VI, 1688)

„Durch seine Kompilationen, ohne systematischen Anspruch, bemühte sich Johannes Guallensis, den Predigern seiner Zeit Material, vor allem solches von antiken Schriftstellern, zu moralischen Auferbauung ihrer Zuhörer an die Hand zu geben, sie selbst aber mit den Normen für ihr Verhalten und mit ihren Pflichten vertraut zu machen“ (BBKL III, 385ff.).

Von besonderer Bedeutung ist ein längere Passage über das Schachspiel: In der typischen Schachsymbolik des Mittelalters vergleicht Johannes Gallensis das Leben mit einem Schachspiel:

„Die Welt gleicht einem Brett mit weißen und schwarzen Feldern, auf denen die Menschen wie Schachgruppen verschiedene Plätze einnehmen. Nach vollendetem Spiel wartet aber auf sie alle ungeachtet ihrer verschiedenen Stellung im Leben wie im Spiel derselbe Ort, und wie der König dabei wohl zuunterst im Beutel zu liegen kommen könnte, so könnten auch die Großen der Erde zur Hölle, die Armen aber in den Himmel gelangen. Auf dem Brett des Lebens spielt der Teufel mit dem Menschen und sagt ihm Schach, wer sich dann nicht schnell bekehrt, dessen Seele wird mit Matt geraubt“
(Teil 1, Abschnitt X, Kapitel 7).

Das wesentlich bekanntere Buch über Schach von William Caxton wurde erst im darauffolgenden Jahr veröffentlicht (siehe auch hierzu Ehn/Kastner, Alles über Schach, S. 401).

Eine sehr fortschrittliche Analogie, denn das Schachspiel war seitens des Clerus bis zum beginnenden 15. Jahrhundert verpönt und wurde oftmals verboten. Erst als sich die Einsicht durchgesetzt hatte, dass das Schachspiel durch seine Regelhaftigkeit und Rationalität die göttliche Weltordnung symbolisieren kann, war der Weg zu seiner Duldung frei.

Johannes Gallensis (auch Wallensis, Waleys or John of Wales) wurde um 1260 geboren und starb 1285. Er war Franziskaner, Schriftsteller und Doktor der Theologie in Paris.

AUSSTATTUNG

Einspaltige gotische Type in 38 Zeilen und Kapitelüberschrift. Frisch wirkender Frühdruck mit teilweisem Druckerschwärzeabklatsch. Illustriert mit acht großen, zehnzeilige Maiblumeninitialen sowie etlichen etliche kleinen Holzschnittinitialen.
Abmessungen Blatt: 29,3 x 19,5; Satzspiegel: 20,5 x 12 cm.

KOLLATION

1 Vorsatzblatt; 187 nicht num. Blatt; 17 Blatt Tabula; 1 leeres Vorsatzblatt.
Zusammen 206 Blatt. Das Werk ist absolut vollständig.
Lagenformel: a10+1; b-f10; g-m8/10; n10; o-t10/8; v8+1; x10; y8.

EINBAND

Originaler blindgeprägter, wohl Augsburger Kalbsledereinband der Zeit. Florale Prägestempel und Streicheisenlinien auf Deckel und Rücken (Blüten- und Blattsempel). Besonderheit: Rückenbünde gehen in florale Prägungen über. Zeitgenössische Schließbeschläge, das Schließband verlustig. Drei echte Bünde. Spiegel mit deutschen Inkunabelblättern der Zeit bezogen. Guter Zustand. Einband unter Verwendung des Originalleders restauriert. Am oberen Rücken größere mit Leder unterlegte Fehlstelle. Bindung und Buchblock fest und stabil. Deckel berieben, beschabt, etwas fleckig und mit einigen Wurmlöchern. Rücken unten am linken Rand eingerissen. Buchblock oben mit alter handschriftlicher Nummerierung.
Folio: 30 x 20 x 5,5 cm.

ZUSTAND

Ausgezeichneter Zustand. Kräftiger Druck auf festem Büttenpapier. Breitrandiges und überaus sauberes, frisches und unberührtes Exemplar. Keine Fehlstellen, Risse oder Ausrisse. Vorderes Vorsatzblatt sowie letzte drei Blatt mit kleinen Wurmlöcher im Randbereich.

PROVENIENZ
  • Anthoni Mineberger – zeitgenössischer Besitzeintrag auf dem Vorsatzblatt in brauner Tinte.
  • Edward Pearse of Darlington – handschriftlicher Besitzeintrag nebst Datierung 1874 auf dem Vorderspiegel.
  • Schweizer Privatsammlung.
REFERENZ

Literatur: ISTC ij00330000; BSB-Ink I-575; GW M13983; BMC II, 342; Goff J-330; Hain 7441; GW M13983;; Pell-Pol 6610; IGI5267; CIH 1909. 206 ff.

Bibliotheken: ISTC listet Exemplare in 68 Bibliotheken weltweit.

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

Hiermit bestätigen wir Originalität sowie einwandfreie Herkunft der vorliegenden Inkunabel. Das Objekt ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit dem Lost-Art-Register abgeglichen. Für die Lieferung außerhalb der EU ist eine Ausfuhrgenehmigung der Kulturbehörden erforderlich. Diese wird von uns nach Eingang des Kaufpreises beantragt und dauert ca. 14 Tage. Für die Verbringung in EU-Länder ist aufgrund der festgelegten Wertegrenzen keine Ausfuhrgenehmigung erforderlich.

Preis
18.000 €
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Tilo Hofmann
Artikelnummer
M410
Die Summa Collationum von John of Wales

Sehr früher Druck Anton Sorgs, noch aus dem Jahr seines ersten nachweisbaren Druckwerks. Schönes und repräsentatives Zeugnis aus der Frühzeit der Augsburger Druckgeschichte. Insgesamt die dritte Ausgabe dieser Sammlung von Sentenzen und Beispielen für Prediger, verfasst von dem englischen Theologen Johannes Gallensis, auch Wallensis oder John of Wales.

Die Erstausgabe dieses Werkes erschien 1470 bei Zell in Köln. Die vorliegende außerordentlich frühe Inkunabel ist inhaltlich interessant, befindet sich in einem sehr guten Zustand, ist vollständig und präsentiert sich in einem originalen blindgeprägten Kalbsledereinband.

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Highlight

Mittelalterliche Bibelhandschrift

Biblia Sacra, Paris, um 1250

Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.

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