Johannes Nider (vor 1385-1438)
Praeceptorium divinae legis, sive Expositio decalogi.
Ulrich Zell, Köln, um 1470
Ohne Ort und Jahr, Datierung jedoch über handschriftlichen Eintrag ermittelbar.
Bibliographisch höchst interessantes Exemplar von Ulrich Zells Kölner Druck der Libri praeceptorum divinae legis von Johannes Nider (vgl. hierzu die drei im British Museum Catalogue beschriebenen Exemplare IB.3008, IB.3007 und IB.3009 BMC I, 194f.). Die Zelldrucke dieses Werkes liegen mit einem undatierten Kolophon vor, so dass dieser Druck ursprünglich mit „not after 1472“ (BMC) datiert wurde. Neuere Forschungen weisen dem Druck allerdings das Jahr 1475 zu, wie im GW und ISTC ersichtlich. Diese Forschungsergebnisse können nunmehr mit unserem Exemplar korrigiert werden. Auf dem zweifelsfrei originalen Pergament auf dem vorderen Spiegel unseres Exemplars findet sich ein zeitgenössischer handschriftlicher Eintrag, in dem dieses Buch im Jahr 1470 als Eigentum der Bibliothek von St. Thomas genannt wird. Somit handelt es sich hier wohl gar um die Editio princeps dieses Werkes. Das Zentralblatt für Bibliothekswesen datierte 1940 den nahezu identischen und „um 1472“ entstandenen Basler Druck von Berthold Ruppel vor die bei Zell gedruckten Ausgaben (ZfB 57, 1940, S. 258). Da vorliegender Druck nun nachweislich nicht nach 1470 gedruckt wurde, ist davon auszugehen, dass es sich hier um die Erstausgabe handelt. Die auf dem Vorsatz von einer Hand des 18. Jahrhunderts angegebene Datierung „1468“ bleibt hingegen spekulativ.
Johannes Nider wurde in der oberschwäbischen Reichsstadt Isny als Sohn eines Flickschusters geboren. Über die ersten vier Jahrzehnte seines Lebens liegen nur wenige und kaum gesicherte Angaben vor: Kurz nach dem 8. April 1402 trat er in den durch Konrad von Preußen reformierten Dominikanerkonvent in Colmar ein. Dort durchlief er Ordensunterricht und Noviziat im Geiste der ‚Strikten Observanz‘. Wohl zwischen 1410 und 1413 begann Nider ein theologisches Studium an der Kölner Universität. Spätestens in dieser Zeit dürfte er seine Priesterweihe erhalten haben. Seit dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts wurde ein als Hexerei bezeichnetes Delikt im Dauphiné, in der Westschweiz, in der Leventina und in Savoyen von weltlichen und kirchlichen Richtern verfolgt (neuere Überblicke bei Modestin/Utz Tremp 2002; Schatzmann 2003). Nider berichtete von der Verfolgungspraxis in seinem Predigerhandbuch ‚Formicarius‘. Hier und in seinem Dekalogkommentar ‚Praeceptorium divinae legis‘ kommentierte er auch die dahinter stehenden dämonologischen Fragen. Beide Werke schrieb er gegen Ende seines Lebens, um 1437/38.
Der „Formicarius“ und das „Praeceptorium divinae legis“ wurden in der dämonologischen Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts als Autoritäten umfassend rezipiert und die Exempla als Belegmaterialien für die Realität der Hexensekte angeführt, so im „Malleus maleficarum“ von 1486, in den „Disquisitionum magicarum libri sex“ des Martin Delrio von 1599/1600 und anderswo. Mehrere hexengläubige Wundergeschichten in den Mirakelbüchern von Eberhardsklausen stammen eindeutig von Nider (Rummel 1990, S. 101-108).
Zweispaltige gotische Type in 37 Zeilen. Eine sieben- und eine vierzeilige rote Initiale mit reichem blauen Federwerk an der ganzen Kolumne herunter sowie zahlreiche in Rot handgemalte Lombarden. Durchgehend in Rot rubriziert.
Satzspiegel: 21,4 x 13,8 cm; Blattformat: 29 x 21,2 cm.
329 (statt 330) nicht num. Batt. Es fehlt lediglich das letzte weiße Blatt. Im Text vollständiges Exemplar. Lagenformel: *10; **10; ***8; a-n10; o12; p-z; aa-gg10.
Originaler spätgotischer Ketteneinband. Schwarzes blindgeprägtes Kalbsleder über massiven Holzdeckeln. Rechteckig und diagonal verlaufende Streicheisenlinien. In den Feldern Blütenstempel. Hinterer Deckel mit einer Kettenöse und sechsgliedriger Kette zum Anhängen an ein Pult. Zwei Schließbeschläge auf dem Vorderdeckel, die Schließen fehlen. Die beiden ziselierten Messingbeschläge auf dem hinteren Deckel später ergänzt. Gebunden auf fünf echten Bünden. Einige wenige, noch erhaltene Blattweiser. Guter Zustand mit Gebrauchsspuren. Bezugsleder etwas brüchig, porös, stärker berieben, mit Abrieb und kleinen Fehlstellen. Außengelenke Gelenke angeplatzt und restauriert. Buchblock und Bindung fest und stabil. Deckel mit etlichen Wurmlöchern.
Folio: 31,5 x 24 x 10 cm.
Sehr guter und genuiner Zustand. Sauberer und breitrandiger Druck. Überaus kräftiger Druck auf festem Büttenpapier. Ränder nur partiell etwas fingerfleckig und fleckig. Erste Blatt mit minimalem Wasserrand im äußersten Außenrand. Einige wenige Wurmlöchlein in den breiten Rändern. Einige wenige Blatt mit geringfügigen Läsuren am Außenrand durch abgerissene Blattweiser. Keine Beschädigungen oder Verluste. Hervorragendes Exemplar.
Literatur: ISTC in00196400; BMC I 194; GW M26918; [Not H]C 11780; Goff N207; Polain(B) 2871; IDL 3394; Borm 1954; Voull(B) 705,2; Pad-Ink 513; Proctor 899.
Bibliotheken: ISTC verzeichnet lediglich 21 Exemplare in den Bibliotheken weltweit.
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Johannes Nider (vor 1385-1438)
Praeceptorium divinae legis, sive Expositio decalogi.
Ulrich Zell, Köln, um 1470
Außergewöhnlicher Frühdruck. Kaum eine Inkunabel vereint derartige Prädikate zusammen auf: Sehr früher und seltener Druck, bestens und genuin erhalten, inhaltlich bedeutend, gebunden in einem originalen Ketteneinband, bibliographisch von großer Bedeutung, natürlich vollständig und aus bester Provenienz.
Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.
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