Franz von Retz (1343-1427)
Comestorium vitiorum.
Johann Sensenschmidt & Heinrich Kefer für Heinrich Rumel, Nürnberg, 1470
Kolophon und Datierung auf Blatt F6.
Erste Ausgabe des Traktats über die sieben Todsünden und die entsprechenden Tugenden. Dieser überzeugende Frühdruck ist illuminiert und in einem zeitgenössischen Einband gebunden. Vorliegender Druck ist das erste datierte Buch, das in Nürnberg gedruckt wurde. Es erschien im selben Jahr wie ein kleiner Gerson-Traktat aus derselben Druckerei. Sensenschmidt, der Nürnberger Prototypograph, lernte wahrscheinlich in Mainz das Drucken und arbeitete möglicherweise mit Pfister an der 36-zeiligen Bibel in Bamberg, bevor er um 1469 seine eigene Werkstatt in Nürnberg gründete.
Zwischen 1365 und 1371 studierte der Dominikaner Franz von Retz an der Universität Wien und wurde später zum Magister und 1388 zum doctor theologiae promoviert. Als Herzog Albrecht III. im Jahr 1384 die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Wien gründete, berief er Franz von Retz zusammen mit Heinrich von Langenstein und Heinrich Totting von Oyta als Dozenten. Bis 1424 lehrte von Retz an der Universität Wien und war mehrfach Dekan der Theologischen Fakultät. Unter anderem war er hier auch Lehrer von Johannes Nider. Gemeinsam mit Petrus Deckinger vertrat er 1409 die Universität auf dem Konzil von Pisa und wirkte bei den Vorbereitungen des Konzils von Konstanz mit.
Zweispaltige gotische Type in 49 Zeilen. Auf dem ersten Blatt eine große handgemalte, illuminierte Anfangsinitiale in Blau, Rot und Gold, mit Rankenwerksausläufer im oberen Rand in Grün, Blau und Rosa. Im unteren Rand Blüten mit Goldpunkten und -linien. Durchgängig in Rot und teils in Blau rubriziert. Etliche handgemalte Initialen in Rot und Blau. Zeitgenössische handschriftliche römische Paginierung.
Satzspiegel: 28 x 20 cm. Blattformat: 38,7 x 27 cm.
291 nicht num. Blatt. Im Text vollständig. Mit den leeren Blättern a1, k10, p12, t12 und F11, jedoch ohne das leere Blatt f12. Blatt A1 wie in allen anderen Exemplaren nur als Falzblatt vorhanden und nicht bedruckt und wie in der alten Folierung und im BSB-Exemplar übersprungen. GW listet 288 Blatt (ohne die weißen k12, p12, t12).
Lagenformel: a10; b12; c10; d-e8; f-k10; l-o10; p12; q-s10; t12; v-z10; A8; B-E10; F11.
Originaler, spätgotischer Einband. Blindgeprägtes Schweinsleder über massiven Holzdeckeln. Auf den Deckeln rechteckig verlaufende Streicheisenfilete. In den Feldern verschiedene gotische Blüten- und Lilienstempel. Zwei originale, intakte Schließen, die Schließbügel erneuert. Auf den Deckeln zehn Messingbuckel in Form von Kardinalshüten. Vorderdeckel mit altem, handgeschriebenem Titelschild. Gebunden auf fünf Doppelbünden. Sehr guter Zustand. Sorgfältig und unter Erhaltung der Originalsubstanz restauriert. Rücken und Deckel mit sorgfältig restaurierten Fehlstellen. Buchblock fest und stabil. Buchblock und Bindung fest und stabil.
Königsfolio: 39,7 x 29 x 10,5 cm.
Sehr gute und genuine Erhaltung mit nur wenig Gebrauchsspuren. Sauberes und äußerst breitrandiges Exemplar. Kräftiger, haptisch fühlbarer Druck auf festem Büttenpapier. Erstes Blatt etwas angeschmutzt und fingerfleckig. Außenränder etwas gebräunt und partiell feuchtigkeitsfleckig. Buchblock stets sehr sauber. Ab und an ein paar versprengte Wurmlöchlein, insbesondere im Bugbereich. Letzte Lage mit Wurmlöchern im Rand sowie teils alt hinterlegte Randreparaturen. Einige wenige handschriftliche Marginalien in brauner Tinte sowie „Hände“.
Literatur: ISTC ir00150000; BSB-Ink F-250; GW 10270; Hain-Copinger 13884*; BMC II 403; Bod-inc F-099; Goff R-150; Goff R150; Pellechet 4923; Sheppard 1380, 1381; Proctor 1942; BMC II 403.
Bibliotheken: ISTC verzeichnet lediglich in 76 Bibliotheken Exemplare.
Handel: Ein weiteres bekanntes Exemplar (Lathrop Harper-Exemplar) in 2001 bei Christies NY für 35.250 US$ verkauft.
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Franz von Retz (1343-1427)
Comestorium vitiorum.
Johann Sensenschmidt & Heinrich Kefer für Heinrich Rumel, Nürnberg, 1470
Erste Ausgabe des Traktats über die sieben Todsünden und die entsprechenden Tugenden. Dieser überzeugende Frühdruck ist illuminiert und in einem zeitgenössischen Einband gebunden. Vorliegender Druck ist das erste datierte Buch, das in Nürnberg gedruckt wurde.
Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.
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