ERSTAUSGABE VON ZWEI BEDEUTENDEN HUMANISTISCHEN WERKEN

Francesco Petrarca Secretum & De vita solitaria

AUTOR

Francesco Petrarca (1304-1374) 

TITEL

1. Secretum de contemptu mundi.
2. De vita solitaria.
Zwei Werke in einem Band.

DRUCK

Johann Mentelin und/oder Adolf Rusch, Straßburg, nicht nach 1473

BESCHREIBUNG

Erste Ausgabe der zwei großen autobiographischen Schriften von Francesco Petrarca. Prachtvolles Exemplar der beiden Straßburger Schwester-Drucken. Beide hier vorgelegten Schriften sind Ergebnisse des zurückgezogenen Lebens, welches Petrarca zwischen 1337-1353 in Fontaine de Vaucluse führte. Er hatte 1337 auf den Gütern seiner Gönner, der Familie der Colonna, ein „herrliches Refugium“ erhalten, wo er fernab von Städten die Ruhe und Muße des wissenschaftlichen Studiums genießen konnte. „Meine Geschichte würde lange werden“, so Petrarca später, wollte er „erzählen, was ich dort so viele, viele Jahre hindurch getrieben. Die Summe davon ist, dass alle Werke, die ich verfasst habe, hier entweder entworfen oder vollendet wurden, alle die vielen Werke, die mich noch jetzt in diesem meinem Alter beschäftigen“.

Das erste hier vorliegende Werk „Secretum“ gilt als Epoche bestimmendes Werk Petrarcas und stellt eine ernsthafte Selbstbefragung dar, welche Petrarca zeitlebens niemandem zeigte. In einem fiktiven Gespräch zwischen dem Kirchenvater Augustinus und „Franciscus“, einem stilisierten alten Ego Petrarcas, geht es um nichts weniger als um den tastenden Entwurf einer frühneuzeitlichen Subjektphilosophie, die das menschliche Individuum aus den einschränkenden Banden mittelalterlich-theologischen Denkens zu befreien trachtet und damit zentrale Wichtigkeit für den von Petrarca begründeten Renaissance-Humanismus hat.

„In der Maske von Augustinus konfrontierte sich Petrarca mit den schwersten Vorwürfen: Unglücklich sei er, weil er in Wahrheit seine Weltverfallenheit gar nicht überwinden wolle. „Was behauptest du da?“ begehrt sein anderes Ich auf; es seien die äußeren Umstände, die ihn daran hinderten, die eigene „erbärmliche Existenz“ zu transzendieren. Zum Beispiel „Armut, Schmerzen, Schande, Krankheiten, Tod und Ähnliches“ seien Dinge, die Menschen willentlich nie auf sich nähmen und die einen niederdrücken könnten. Sein Alter Ego Augustinus lässt dergleichen Ausflucht nicht gelten: Ein innerlich freier Mensch könne sich darüber erheben, wenn er nur genug Sehnsucht nach Gott verspüre. Das sieht das Ich theoretisch auch ein, aber es gebe „viele Menschen“, „darunter auch mich selbst, die unter nichts mehr gelitten haben als darunter, das Joch der eigenen Fehler nicht abwerfen zu können, obwohl sie sich ihr ganzes Leben mit all ihren Kräften darum bemühten“. Und woher komme das? Jeder einzelne Fehler sei doch bewältigbar? Das gibt das Ich auch zu: „Wenn ich mich nur einem einzelnen dieser Übel gegenüber sähe, würde ich mit jedem fertig; doch ich werde von einem ganzen Heer überwältigt.“ Aber dir geht es doch gar nicht schlecht, beharrt Augustinus. Doch: „sehr schlecht“. Warum? „Nicht aus einem, sondern aus unzähligen Gründen.“ Nenne mir doch den wichtigsten Grund, warum du unzufrieden bist, was ist dir am meisten verhasst? „Ich weiß nicht.“.(Quelle: Arnd Beise, https://literaturkritik.de/id/7461).

Das zweite Werk „De vita solitaria“ (Über das Leben in Abgeschiedenheit) beschreibt das Loblied auf das mäßige und der Muße gewidmete Leben in der Natur, das angefüllt durch das Studium der Bücher und durch das anregende Gespräch mit Freunden in jedem Fall dem hektischen Getriebe der Stadt vorzuziehen ist. Vermutlich seien die meisten Menschen nur deshalb so umtriebig, weil sie mit sich selbst nichts anzufangen wissen. Im Grunde wollten sie von ihrer inneren Leere ablenken. So heißt die Schrift, weil Petrarca sie zeitlebens niemandem zeigte. Sie ist eine ernsthafte Selbstbefragung, durchgeführt als Gespräch zwischen ihm selbst und dem ihm visionär erschienenen Kirchenvater Augustinus. Vor allem ist dieses Gespräch ein Dokument des Scheiterns. In der Schrift über die Abgeschiedenheit deutete sich nur an, was sich in dem zweiten Text nicht mehr verhehlen ließ. Petrarca wurde seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht und litt darunter.

„Die nicht firmierte, aber erste Ausgabe von Petrarcas De Vita Solitaria stammt aus der Presse des Adolf Rusch, der wegen einer für ihn eigentümlichen R-Majuskel auch als R-Drucker bekannt ist. Er stammte aus Ingweiler. Er heiratete die Tochter des Druckers Johann Mentelin, dessen Werkstatt er übernahm. Die Ausgabe ist oft mit der des Secretum aus derselben Offizin zusammengebunden und wird von Hortis auch als eine Einheit aufgefasst“  (Quelle: Katalog Reiner Speck).

AUSSTATTUNG

Einspaltige römische Type in 34 Zeilen. Eine große Initiale „P“ sowie 113 in Rot eingemalte Initialen. Durchgehend in Rot rubriziert.
Abmessungen Blatt: 26,3 x 19,5 cm; Satzspiegel: 17,5 x 10 cm.

KOLLATION

I:  53 nicht num. Blatt (a10; b8; c10; d-e8; f10). Es fehlt das leere Blatt a1. Im Text vollständig.
II: 89 nicht num. Blatt (a-b10; c-d8; e-f10; g12-1; h-i8; k6). Vollständig.
Zusammen 142 Blatt.

EINBAND

Attraktiver, stilgerecht blindgeprägter Ledereinband des 20. Jahrhunderts in gefütterter Leinwandkassette mit goldgeprägtem Rückenschild. Gebunden auf fünf Bünden. Dreiseitig gesprenkelter Rotschnitt. Ausgezeichneter Zustand.
Kleinfolio: 27,5 x 21 x 3,5 cm
Schuber: 29 x 23 x 5,5 cm

 ZUSTAND

Außergewöhnlich wohlerhaltenes und breitrandiges Exemplar. Sehr sauber und schonend gereinigt. In den breiten Rändern partiell minimal gebräunt. Die letzten beiden Blatt im oberen Rand mit kleineren Rostflecken und -löchlein, was auf die ursprüngliche Einbindung in einen Ketteneinband schießen lässt. Ab und an einige versprengte winzige Wurmlöcher im Außenrand. Zwei Blatt mit Marginalien von einer zeitgenössischen Hand.

PROVENIENZ
  • Schweizer Privatsammlung seit 2010
  • Dort erworben von Jeschke Van Vliet, Berlin, 06/2010
  • Vormals griechische Privatsammlung
REFERENZEN

Literatur:
I: ISTC ip00412000; BSB-Ink P-277; GW M31627; Hain Copinger 12800; Goff-P, 412; IGI 7580; BMC I, 61;
II: ISTC ip00417000 ; BSB-Ink P-265; GW M31765; Hain Copinger 12796; Goff-P 417; IGI 7586; BMC I, 61;
Sammlung Reiner Speck 82.

Bibliotheken: ISTC listet Exemplare in 67 Bibliotheken weltweit.

Handel: Kein anderes Exemplar im Jahrbuch der Auktionspreise nachweisbar.

KULTURGUT SICHER ERWERBEN

Hiermit bestätigen wir Originalität sowie einwandfreie Herkunft der vorliegenden Inkunabel. Das Objekt ist zum Zeitpunkt des Verkaufs frei von Rechten Dritter und wurde mit dem Lost-Art-Register abgeglichen. Für die Lieferung außerhalb der EU ist eine Ausfuhrgenehmigung der Kulturbehörden erforderlich. Diese wird von uns nach Eingang des Kaufpreises beantragt und dauert ca. 14 Tage. Für die Verbringung in EU-Länder ist aufgrund der festgelegten Wertegrenzen keine Ausfuhrgenehmigung erforderlich.

Preis
35.000 €
Haben Sie Interesse am Objekt?
Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail
Tilo Hofmann
Artikelnummer
G102
Frühe Inkunabel:
Petrarcas Secretum & De vita solitaria

Francesco Petrarca war italienischer Dichter und Geschichtsschreiber. Er gilt als Mitbegründer des Renaissance-Humanismus und zusammen mit Dante Alighieri und Boccaccio als einer der wichtigsten Vertreter der frühen italienischen Literatur.

Haben Sie Interesse am Objekt?
Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail
Tilo Hofmann
Zum Anfang der Seite

Highlight

Mittelalterliche Bibelhandschrift

Biblia Sacra, Paris, um 1250

Reich illuminierte Handschrift auf Jungfernpergament. Diese Handschrift gehört zu den sogenannten „Perlbibeln“, den kleinsten Vollbibeln überhaupt. Dieser Handschriftentyp wurde im frühen 13. Jahrhundert im Umkreis der Pariser Universität entwickelt, um den neuen Bedürfnissen der sich zu dieser Zeit herausbildenden Metropolen zu entsprechen. Insbesondere die gewachsenen Anforderungen an Mobilität ließen die bis dahin in den Abmessungen eher voluminösen Bibeln auf ein Kleinstformat reduzieren. Sie passte somit unter die Kutten der Mönche, die das Wort Gottes in den Metropolen verbreiteten. Daher wird dieser Bibeltypus auch „Taschenbibel“ genannt.

Äußerst spannend! Lust auf mehr? 

Ähnliche Artikel